Scheinbar über Nacht hat das Phänomen des Krieges in Europa wieder Einzug gehalten. Allzu lange hatten wir geglaubt, dieses Geschehen von uns fernhalten bzw. den Zustand des Friedens als selbstverständlich sehen zu können. Entsprechend hilflos fallen derzeit unsere Reaktionen aus. Wir verharren in einem Zustand zwischen Ohnmacht, Parteinahme, Abwehr, Resignation und vager Friedenssehnsucht. Auch eine gewisse Lust, sich militant zu positionieren, ist gelegentlich festzustellen. Dabei wäre es gerade jetzt wichtig, die Realie „Krieg“ ungeschminkt und unerschrocken in den Blick zu nehmen, um ihre Mechanismen zu begreifen und angemessen reagieren zu können. Wir müssen uns, auch wenn es paradox erscheint, mit dem Phänomen Krieg, seinen Ursachen und Auswirkungen vertraut machen, wenn wir ihn jetzt und in Zukunft bekämpfen wollen. Auch wenn Spinoza mit guten Gründen sagt, Friede sei mehr als die Abwesenheit von Krieg, sollten wir uns in einem ersten Schritt damit begnügen, einen (noch so brüchigen) Zustand der Abwesenheit von Krieg herzustellen. Was schwierig genug ist. Ausgerechnet die bisweilen als weltfremd betrachtete Literatur kann bei diesen Bemühungen einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten. Zum einen, indem sie die emotionale Befindlichkeit von Individuen in Konfliktzonen unbestechlich ausleuchtet. Zum anderen, weil sie früh auf Krisensituationen verweist, die Entscheidungsträger in Alarmzustand versetzen könnten und die letztlich Betroffenen vor der demütigenden Erfahrung, überrascht oder „überrumpelt“ zu werden, schützt.
Krieg“: Briefwechsel zwischen Albert Einstein und Sigmund